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Der Kongress Armut und Gesundheit schafft seit 1995 ein kontinuierliches Problembewusstsein für gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland. An drei Veranstaltungstagen tauschen sich Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Praxis und Selbsthilfe zu Themen gesundheitlicher Ungleichheit aus. Aktuelle Forschungsergebnisse werden ebenso diskutiert und vertieft wie neue Strategien, Lösungsansätze und Erfahrungen. Die vergangenen Kongresse haben bereits eine Vielzahl neuer Kooperationen auf den Weg gebracht und Entwicklungen und Diskussionen angestoßen.

Mit dem Engagement aller Akteur*innen und Teilnehmenden des Kongresses erfährt eine heterogene Gruppe von Menschen eine Lobby, die oftmals wenig Unterstützung erhält. 

Kongressprogramm

Versorgungsprobleme und klimasensible Handlungsoptionen rund um die Geburt

H5 Gesundheitsdienste II

10:45 - 11:45

Moderierende:

Ulrike von Haldenwang, Deutscher Hebammenverband

Versorgungsprobleme in der reproduktiven Lebensphase werden in Deutschland seit Jahren intensiv diskutiert. So zeigen Untersuchungen, dass von Armut betroffene Schwangere einen erschwerten Zugang zum Gesundheitssystem und zur Hebammenversorgung haben und in einigen Landstrichen eine wohnortnahe Geburtshilfe zunehmend nicht mehr möglich ist.
 

Im ersten Teil unserer Veranstaltung steht die Versorgung der Frauen mit Hebammenleistungen in einem der größten Landkreise in der Bundesrepublik im Mittelpunkt. Diese Frauen auf und rund um Deutschlands größte Insel Rügen erfahren die Probleme der Unterversorgung in ländlichen Gegenden und leben zugleich in einer der Regionen mit dem deutschlandweit niedrigsten Einkommen. Der Vortrag stellt ein geplantes Promotionsprojekt an der Universitätsmedizin Rostock vor, das das Erleben der Mütter in der Versorgung rund um die Geburt erfasst und dabei die Perspektiven der dort tätigen Hebammen einbezieht.  

Im Anschluss stellt Dr. Dagmar Hertle Daten und Analysen zur bundesweiten Hebammenversorgung vor. Grundlage sind die Abrechnungsdaten der BARMER der Jahre 2017-2020 (ca. 280.000 Geburten). Untersucht wurden mögliche Einflussfaktoren auf den Erhalt von Hebammenleistungen in der Schwangerschaft und im Wochenbett. Es kann gezeigt werden, dass die Frage, ob eine Frau Hebammenversorgung erhält oder nicht, maßgeblich von ihrer sozioökonomischen Lage abhängt. 

Abschließend werden konkrete, klimasensible Handlungsalternativen in der reproduktiven Lebensphase vorgestellt, die Ressourcen schonen und dabei die Familie stärken wollen. „Midwives for Future“ arbeiten seit 2022 in Deutschland daran, praktikable Handreichungen und Empfehlungen für Familien und Hebammen zum Klima- und Gesundheitsschutz zur Verfügung zu stellen – hier sollen unsere Ansatzpunkte am Beispiel des Abhaltens konstruktiv diskutiert und kritisch hinterfragt werden. 

Gesundheitsversorgungskonzept für das Flächenland M-V – am Beispiel einer
adäquaten und klimasensiblen Hebammenversorgung im Landkreis V-R


Jana Hartwig, Universitätsmedizin Rostock, Prof.in Dr.in Dorothea Tegethoff, Universitätsmedizin Rostock

Mein Projekt soll der Forderung nach wertschätzenden Gesprächsräumen, in denen gesundheitliche Ungleichheiten thematisiert und die Perspektive von Frauen mit Armutserfahrung berücksichtigt werden, nachkommen. Der Landkreis Vorpommern-Rügen steht im Fokus. Diese Region lebt vom Tourismus. Das führt dazu, dass für die Einheimischen die Kosten für Wohnen, Lebenshaltung u.a. gestiegen sind bei den deutschlandweit niedrigsten Löhnen. (vgl. Statista 2019) Die repräsentative IGES-Studie 2021 zur Hebammenversorgung und Geburtshilfe in M-V konnte die tatsächliche Lage in V-R nicht aussagekräftig abbilden. Inzwischen gibt es auf den Inseln vor M-V keine geburtshilflichen
Kliniken mehr, so dass auch zur Geburt weite Wege zu bewältigen sind. Für den Landkreis V-R sind gravierende Auswirkungen der Klimaerwärmung zu erwarten: Hitze, Starkregen, Überschwemmungen und Stürme. Das geplante Dissertationsprojekt soll folgende Fragen beantworten: Wie empfinden die Frauen ihre gesundheitliche Versorgung? Die Hausbesuche der Hebammen gelten als gesundheitsförderlich für Schwangere, Wöchnerinnen und ihre Familien. Wie könnten diese niedrigschwelligen Versorgungsangebote erhalten bleiben und sicherer gestaltet werden? Mögliche Alternativen? Welche Allianzen & Maßnahmen sind denkbar, um das 9. Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ klimafreundlich umzusetzen? Dazu ist neben der Auswertung vorliegender Literatur eine Befragung der Betroffenen geplant. Neben einer online-gestützten Fragebogenerhebung werden vertiefende qualitative Interviews durchgeführt, um die Einschätzung der Frauen in V-R zu ihren Lebensverhältnissen, insbesondere zur Gesundheitsversorgung sowie zu den erwartbaren Auswirkungen der Klimaerwärmung zu erfassen.

Keine Hebamme in der Schwangerschaft heißt keine Hebamme im Wochenbett – betroffen sind meist Frauen mit niedrigem Einkommen

Dagmar Hertle, BARMER

 

Hintergrund:


In Deutschland müssen werdende Mütter sich selbst um eine Hebamme kümmern. Die vorgelegte Analyse von Routinedaten einer großen Krankenkasse untersucht mögliche Einflussfaktoren auf den Erhalt von Hebammenbetreuung.

Methode:

Aus 9 Mio Versicherten flossen 277.088 Geburten des Zeitraums 2017-2020 in die Analyse ein.
Betrachtet wurden die abgerechneten Hebammenleistungen bei Müttern unterschiedlicher
Einkommensgruppen gemäß DIW.

Ergebnisse:


Wichtigster Faktor für den Erhalt von Hebammenversorgung im Wochenbett war die
Hebammenbetreuung in der Schwangerschaft und hierfür ein möglichst früher Erstkontakt zur
Hebamme: 74,1 Prozent der Frauen ohne Hebamme in der Schwangerschaft hatten auch keine
Hebammenbetreuung im Wochenbett. Der Zeitpunkt des Erstkontakts wiederum hing stark mit dem sozioökonomischen Status zusammen. Das Alter der Mütter, Vor- oder Begleiterkrankungen, Geburtsmodus, Frühgeburtlichkeit und Mehrlinge waren gegenüber der sozio-ökomischen Lage von geringer Bedeutung.

Diskussion:


Die Abrechnungsdaten zeigen einen deutlich eingeschränkten Zugang zur Hebamme für
sozioökonomisch schwache Frauen. Bestätigt werden diese Ergebnisse von Analysen anderer Kassen. Sie stehen aber im Gegensatz zu Befragungen, bei denen über 90 Prozent der Mütter angaben, Wochenbettbesuche erhalten zu haben. Es ist daher eine Selektions- und Responsebias anzunehmen. Der Erhalt von Hebammenbetreuung wird in der frühen Schwangerschaft entschieden, ein Fehlen wird im Wochenbett nicht aufgeholt. Die Betreuungskontinuität wie sie u.a. vom Nationalen Gesundheitsziel
„Gesundheit rund um die Geburt“ gefordert wird, ist damit vor allem für sozial schwächere Frauen, die vermutlich am meisten davon profitieren würden, weniger gut gewährleistet.

Abhalten als Klimaschutzmöglichkeit zum bedürfnisorientierten Aufwachsen des Kindes & weitere Ansätze für klimasensible Hebammenbetreuung


Jana Hartwig, Kathrin Herold, Midwifes for Future

Nur selten sind Menschen so bereit, ihr Verhalten zu ändern wie in der reproduktiven Lebensphase. Trotz aller Widrigkeiten und der Bedrohung durch den Klimawandel sind Frauen guter Hoffnung und bringen Kinder zur Welt. Dabei können sie in Deutschland von Hebammen unterstützt werden. Der Internationale Hebammenverband ICM veröffentlichte bereits 2014 einen Aufruf, gegen die Klimakrise aktiv zu werden. Um ins Handeln zu kommen, fanden sich 2022 in der BRD engagierte Hebammen zusammen und gründeten Midwives for Future (M4F). Sie wollen ihre Kolleginnen über klimafreundliche, oftmals einfache, kostengünstige Handlungsoptionen aufklären und somit das Verhalten der Hebammen und infolgedessen das Verhalten der von ihnen betreuten Familien hin zu mehr Klimafreundlichkeit und Gesundheit umstellen. Denn Klimaschutz ist Gesundheitsschutz (vgl. KLUG AG 2022). M4F arbeiten an konkreten Arbeitshilfen wie z.B. Notfallplänen & Handlungsempfehlungen, 2023 u.a. zum Hitzeschutz für junge Familien. Klimaschutz geht mit Chancengleichheit einher und braucht Entscheidungskompetenz, um sich der in unserer Gesellschaft stattfindenden Externalisierung der Fürsorge für Kinder durch unnötigen Konsum entgegenzustellen (vgl. Alber 2023). In unserem Workshop möchten wir am Beispiel der Technik des Abhaltens der Kindern einen Impuls geben, wie Klimaschutz Spaß machen kann. Die Eltern werden motiviert, an ihre
Selbstwirksamkeit zu glauben, ihr Kind zu beobachten, dieser Wahrnehmung zu vertrauen und auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen. Zugleich sparen sie so Windeln, somit Geld als auch umweltbelastenden Abfall. Gemeinsam wollen wir weitere Möglichkeiten erarbeiten, wie Reproduktion für alle gesundheitsfördernder und klimaschützender sein kann.

Themenfelder
  • Frühe Hilfen
  • H5 - Gesundheitsdienste
  • Klima – Umwelt
Sprecher*innen
Diplommedizinpä Jana Hartwig
Health for Future
Dr. Dagmar Hertle
BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung, bifg
Ulrike v. Haldenwang
Deutscher Hebammenverband
Kathrin Herold
M4F

Veranstaltungsort - Präsenzteil

Henry-Ford-Bau (FU Berlin)

Garystraße 35

14195 Berlin

 

Kontakt

Email: kongress[at]gesundheitbb.de

Tel: +49(0)30 44 31 90 73

Veranstaltungsort - Präsenzteil

Henry-Ford-Bau (FU Berlin)

Garystraße 35

14195 Berlin

 

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